PRÄVENTION – EIN UNWORT?
Aktuell wird wohl so heftig wie noch nie über das Thema Prävention diskutiert – leider (oder zum Glück?) nicht, was Unfallprävention anbelangt. Doch warum stehen wir vielen Arten von Prävention so kritisch gegenüber? Warum vermeiden wir mögliches Leid nicht lieber von Vornherein?
Diese Gedanken überkommen mich immer öfter, während Gesundheit für mich leider nicht mehr selbstverständlich ist und ich mich jeden Morgen frage: „Wie wird es mir wohl heute gehen?“
Vor genau 12 Monaten, in der zweiten Coronawelle, war ich unter den Infizierten. Ich dachte mir, was will mir dieses Virus schon anhaben? Ich bin jung, gesund, sportlich und pflege einen ausgewogenen Lebensstil. Trotz leichtem Verlauf merkte ich aber schon nach den 14 Tagen in Quarantäne langsam, so harmlos wie manche denken, ist das Ganze dann doch nicht!
Seit damals ist fast nichts mehr wie vorher. Bei allem was ich mache, hoffe ich, dass es nicht zu viel ist. Dass ich am nächsten Tag nicht wieder mit Kopfschmerzen, Schwindel und komplett erschöpft aufwache. Immer schneller komme ich an meine Belastungsgrenze. Anfangs war noch eine Wanderung mit 800 Höhenmetern möglich, dann war es noch eine kleine Familienwanderung und heute reicht schon ein längerer Spaziergang aus. Von intensiven Arbeitsbesprechungen gar nicht zu reden. Anstatt Fortschritte zu sehen, spüre ich, wie mein Körper immer noch länger braucht, um sich zu regenerieren.
Parallel dazu verfolge ich Diskussionen über Masken, Lockdowns und Impfpflicht. Ich habe nur selten die Energie, um mich darauf einzulassen, bzw. möchte den Rest davon nicht „unnütz“ verschwenden. Doch ab und an denk ich mir, was hätte ich gegeben, diese Impfung schon vor meiner Infektion gehabt zu haben. Wenn das Risiko für Long-Covid nur minimal reduziert gewesen wäre, ich wäre so dankbar dafür gewesen!
Stattdessen absolviere ich seit Monaten einen Marathon, was Besuche bei ÄrztInnen, HeilpraktikInnen und von Online-Foren betreffen. Das Einzige, was ich jetzt noch präventiv tun kann, ist von nichts zu viel zu tun. Was einfach klingt, ist umso schwerer. Denn ich sehne mich immer mehr nach den Abenteuern in den Bergen, den alltäglichen sportlichen Begegnungen mit Freundinnen, einer intensiven Yogastunde und einem normalen Arbeitstag wie früher.
Prävention ist etwas Paradoxes. Erst wenn etwas passiert ist, wünschen wir uns, dass wir doch schon vorher etwas dagegen getan hätten. Egal ob es um die Kopfverletzung nach dem Fahrradsturz geht, das Burnout durch zu viel Stress, den Lungenkrebs durch jahrelanges Rauchen oder die Folgen einer Coronainfektion. Irgendjemand gehört immer zu den scheinbar wenigen Prozent, die es schlussendlich betrifft.
Weder mein persönlicher Ansatz noch jener in meiner Arbeit war es je, jemandem etwas aufzuzwingen. Doch durch die andauernden Diskussionen wird mir bewusst, wie wenig Prävention in unserer Gesellschaft verankert ist, wie wenig es Teil unserer Kultur ist. Um dies zu ändern, brauchen wir wertschätzende Dialoge. Dialoge die verständlich machen, warum Fahrradhelme, Vorsorgeuntersuchungen, ein gesunder Lebensstil und ja, auch eine Impfung, sinnvoll sind. Warum Prävention sinnvoll ist.
Während ich meinen Alltag neu ordne, meine Energie bewusst einteile, werde ich auch diesen Gesprächen mehr Platz geben. Denn dabei geht es nicht nur um unsere Gesundheit, es geht auch um das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.
Also geh doch mal auf dein Gegenüber zu, frag nach, hör zu und erklär deine Sichtweise!