Blogbeitrag vom 4. November 2021

bin ich eine gute mama?

 

Ich bin Mama von drei Kindern, wohlgemerkt alle eher Draufgänger als schüchterne, ruhige Mäuschen. Ich weiß nur zu gut, wie sich der Zwiespalt anfühlt: Was kann oder soll ich meinen Kindern in welchem Alter zutrauen? Was nicht? Ich weiß aber auch wie wichtig es ist, genau hinzuschauen, dort wo es unumgänglich ist, um sie vor schlimmeren Unfällen zu bewahren.

Eines Tages, wir waren gerade in unsere neue Wohnung im Dachgeschoss meines Elternhauses gezogen, spielte mein damals 2,5 jähriger Sohn in seinem neuen Kinderzimmer. Alles war so neu und spannend für ihn. Ich ließ ihn nur für einen kurzen Moment alleine mit seinen Spielzeugautos. Als ich wieder nach ihm schaute, war das Fenster offen und er stand auf der Fensterbank. Nicht auf der inneren, sondern auf der Außenseite… An diesem Tag war es sehr windig. Ich werde dieses Bild und vor allem das damit verbundene, schreckliche Gefühl nie mehr vergessen, wie er da mit seinen großen blauen Augen zwischen den wehenden Vorhängen stand und sich umschaute.

Ruhig bleiben, langsam hingehen, nicht gleich aus dem Schock heraus losschimpfen und das Kind so erst recht erschrecken …

Glück gehabt

Nachdem die Gefahr gebannt war, musste ich mich erstmal zu ihm auf den Boden setzen und ein paar Mal tief durchschnaufen. Er umarmte mich und meinte, es sei ja nichts passiert. Trotz seiner erst 2,5 Jahren merkte er, dass ich ganz aufgewühlt war, zitterte und mich zu Tode erschrocken hatte. Auf seine kindliche Weise erklärte er mir, er habe ja nur kontrollieren müssen, ob draußen alles ok sei. Erst später wurde mir richtig bewusst, was wir für ein Glück und vermutlich Schutzengel gehabt hatten. Gleichzeitig nagten das schlechte Gewissen und Selbstzweifel an mir:
Bin ich überhaupt eine gute Mama, wenn ich es zu einer solchen Situation kommen lasse?

Vor allem Beschützen? Um jeden Preis?

Dieses Gefühl begleitete mich von da an weiter. Unser zweiter Sohn kam zur Welt und etwas später unsere Tochter. Ich hatte jetzt also drei zu beaufsichtigende Kleinkinder zuhause, die ich natürlich vor Allem und Jedem beschützen wollte.

Gott sei Dank hatten meine Kinder das Glück, mit und in der Natur aufwachsen zu dürfen, denn wir wohnen sehr ländlich. Und so kam es, wie es kommen musste: Der Mittlere winkte mir eines Tages von einer Baumkrone durchs Esszimmerfenster herein, an den Füßen nur Flip-Flops. Die Kleine lernte im Steilen Laufrad zu fahren wie eine Wilde, der Große baute im nahegelegenen, abfallenden Waldstück Räuberhöhlen, usw.

Was ich damit sagen will: Meine Kinder zeigten mir durch ihre große Lust, die Welt selbst zu entdecken und zu erobern, dass ich ihnen oft mehr zutrauen kann, wie ich denke. Dass meine Ängste ihrer gesunden Entwicklung nicht im Weg sein sollten. Ich muss sie nicht vor allem bewahren, denn dann nehme ich ihnen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, Erfolgserlebnisse zu haben.

Man lernt nie aus….

Gleichzeitig habe ich gelernt, dort wo es keinen Kompromiss gibt, genau hinzuschauen. Das mit dem Fenster ist mir zum Beispiel nie wieder passiert. Wir haben versperrbare Griffe montiert, denn in solchen Situation gibt es kein Wenn und Aber, hier hätte Schlimmes, Folgenschweres passieren können.

In anderen Situationen hingegen lasse ich sie gewähren. Ja, wir haben in den letzten Jahren die ein oder andere Beule in Kauf genommen. Sowas heilt von selbst, das gehört zum Großwerden dazu. Natürlich kommen mit dem „Älterwerden“ auch Beulen anderer Art dazu (erste Erfahrungen mit Alkohol, der Geschwindigkeitsrausch mit dem ersten eigenen Motorrad, der erste Liebeskummer,…).

Ich habe für mich erfahren, dass ich mutig sein darf und so kann ich meinen Kindern das gute Gefühl geben, dass ich ihnen vertraue und vieles zutraue. Der Mensch lernt nie aus. Manches würde ich jetzt vielleicht anders machen … trotzdem denke ich, dass alle Eltern und Erziehungsberechtigten nur das Beste für die eigenen Kinder möchten … und drum:
Ja, auch wenn mal was passiert, für meine Kinder bin ich eine gute Mama!

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